Immer häufiger begegnet uns der Begriff der Volkskrankheit, Zivilisationskrankheit, manchmal auch der Wohlstandskrankheit. Sie alle meinen das gleiche und fast jeder von uns fühlt sich in dem einen oder anderen Punkt angesprochen. Oder können Sie sich davon freisprechen, gelegentlich Süßigkeiten zu naschen, zu rauchen, Alkohol zu konsumieren oder auch im Alltag öfter mal Stress zu erleben? Damit sind Sie einem oder gleich mehreren Risikofaktoren ausgesetzt, die viele der so genannten Volkskrankheiten begünstigen. Doch was sind diese Volkskrankheiten überhaupt?
Typische Volkskrankheiten in Deutschland
Eine wissenschaftlich fundierte, einheitliche Liste für die so genannten Volkskrankheiten in Deutschland gibt es nicht. Der Begriff der Volkskrankheit taucht immer wieder in den Medien auf, meist begleitet von dringlichen Aufrufen, die eine oder andere ungesunde Verhaltensweisen zu unterlassen.
Zu den am häufigsten genannten Krankheiten zählen die Herz- und Gefäßkrankheiten, Übergewicht, Diabetes Mellitus Typ 2 mit all seinen Folgeerkrankungen, Karies, viele Allergien, Essstörungen und Krebsarten.
Die Auswirkungen-sind wir ein krankes Land?
Die Auswirkungen dieser Krankheiten sind enorm: die Pharmaindustrie nimmt einen Großteil ihrer Einnahmen durch die Entwicklung und Vermarktung von Mitteln gegen die Volkskrankheiten ein. Die Werbeindustrie produziert reichlich Werbespots- und Anzeigen für die entsprechenden Mittel. Und nicht zuletzt entsteht durch die oft vermeintlich kranken Menschen ein volkswirtschaftlicher Schaden durch Krankschreibungen.
Vertraut man den Aussagen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, sind wir also tatsächlich ein krankes Land.
Die Lösung?
Einiges ist sicher gar nicht so falsch: tatsächlich werden die Deutschen immer dicker. Ein Überangebot an Nahrung, dass ständig bereit steht und oft von Zucker und Zusatzstoffen nur so strotzt, wird von vielen Menschen hemmungslos ausgenutzt. Hier scheint die Lösung ganz einfach: weniger essen, gesünder essen, keine Fertigprodukte verwenden, selber kochen.
Viele Folgeerkrankungen, die aus einem ungesunden Lebensstil resultieren, lassen sich so vermeiden: Diabetes, Karies, Herz- und Gefäßkrankheiten, Bluthochdruck und auch einige Krebsarten.Doch letztendlich sind das Binsenweisheiten. Ein kritischer Blick auf die Zahlen kann helfen.
Die Lüge von den Volkskrankheiten
Warum treten denn nun einige Krankheiten besonders häufig in den reichen Industrienationen auf? Ungesunde Lebensweisen kommen auch in ärmeren Ländern vor. Auch dort wird Alkohol getrunken, geraucht und die Ernährungssituation ist sicher oft alles andere als optimal. Die mögliche Erklärung für dieses Phänomen mutet grausam an: in diesen Ländern ist die Lebenserwartung oft sehr viel geringer als in Deutschland. Viele der so genannten Volkskrankheiten treten erst später, im höheren Alter auf. Dieses Alter wird in den ärmeren, vermeintlich gesünderen Ländern oft gar nicht erst erreicht. Die Menschen sterben dort vorzeitig an Krankheiten, die bei uns durch ein flächendeckendes Gesundheits- und Vorsorgesystem gar nicht erst auftreten, bzw. ausgerottet sind (Tuberkulose, Malaria).
Wie oft hört man zudem von älteren Menschen Sätze wie: „Schambeinentzündung? So etwas gab es früher gar nicht.“ Darin steckt viel Wahrheit, die auch heute noch auf die Menschen in den ärmeren Ländern dieser Welt zutrifft. Durch die schlechtere medizinische Versorgung sind früher hier in Deutschland und heute noch in anderen Teilen der Welt viele Krankheiten gar nicht erst diagnostiziert und erst recht nicht statistisch festgehalten worden.
Doch offensichtlich gibt es auch den Trend, viele Krankheiten erst durch gefälschte Zahlen und ungenaue Untersuchungen zu einer „Volkskrankheit“ zu machen.
Meist ist es die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die durch oft schlichtweg falsche Zahlen eine bessere finanzielle Situation der Kassenärzte zu erzwingen versucht. Mehr Kranke-mehr Geld, so lautet die einfache Formel.
Dazu werden seit Jahren die Werte für Bluthochdruck und Cholesterin nach unten gesetzt- zeitweise so niedrig, dass über 90 % der Deutschen erhöhte Blutfettwerte hatten.
So manches Mal verwendet die KBV auch Zahlen, die auf einfachen Rechenfehlern beruhen und mehrere Jahrzehnte alt sind: 1,2 Millionen der Bundesbürger sollten an einem „Offenen Bein“ leiden. Doch tatsächlich beruhen die hohen Zahlen auf einem Rechenfehler: die Bonner Venenstudie ergab, dass im Zeitraum 2000 bis 2002 0,1% der deutschen Bevölkerung (ca. 80 Millionen) an einem Offenen Bein litt- also ungefähr 80 000 Menschen. Bei der KBV wurden daraus aber 800 000 Menschen. Die Diskrepanz zu den 1,2 Millionen kann die KBV nicht schlüssig erklären: sie soll aus einer 24 Jahre alten Erhebung stammen.